Medizinnobelpreis 1978: Werner Arber — Daniel Nathans — Hamilton Othanel Smith

Medizinnobelpreis 1978: Werner Arber — Daniel Nathans — Hamilton Othanel Smith
Medizinnobelpreis 1978: Werner Arber — Daniel NathansHamilton Othanel Smith
 
Die drei Wissenschaftler erhielten den Nobelpreis für ihre Entdeckung der Restriktionsenzyme und die Anwendung dieser Enzyme in der Molekulargenetik.
 
 Biografien
 
Werner Arber, * Gränichen (Schweiz) 3.6.1929; 1949-53 Studium der Naturwissenschaften an der Schweizerischen Polytechnischen Hochschule in Zürich, 1958 Promotion an der Universität in Genf, danach an der Universität von Los Angeles und an der Stanford University (Palo Alto), 1965 Professor für Molekulargenetik in Genf, ab 1971 an der Universität in Basel.
 
Daniel Nathans, * Wilmington (Delaware, USA) 30.10.1928; bis 1954 Studium der Medizin an der Washington University in St. Louis (Missouri), 1955-59 an der Columbia University in New York, ab 1967 Professor an der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore (Maryland).
 
Hamilton Othanel Smith, * New York 23.8.1931; 1948-52 Studium an der University of Illinois und an der Berkeley University (Kalifornien), 1956 Promotion; 1962-67 Forschungsassistent der humangenetischen Abteilung der University of Michigan; ab 1975 am Züricher Institut für Molekularbiologie; seit 1981 Professor an der Universität in Baltimore.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Die Entdeckung der Restriktionsendonucleasen durch Werner Arber, deren Isolation und Charakterisierung durch Hamilton Othanel Smith und die Entwicklung der ersten Anwendungen durch Daniel Nathans haben im Verlauf der 1970er-Jahre die Entstehung der Gentechnik ermöglicht. Seither sind die Restriktionsendonucleasen weltweit eines der am häufigsten benutzten Werkzeuge der Molekularbiologen. Diese »molekularen Scheren«, die DNS-Moleküle (Desoxyribonucleinsäure; auch DNA, das A steht für das englische »Acid« für Säure) an bestimmten Stellen schneiden können, sind unentbehrlich für verschiedene Verfahren der Gentechnik.
 
 Werner Arbers Bakterieophagen
 
Im Jahr 1958 promoviert Arber über die Aufklärung der Ersetzung viraler Gene durch bakterielle Gene bei Bakteriophagen. Er geht daraufhin in die USA, wo er in Los Angeles ein Jahr im Labor des Mikrobiologen Giuseppe Bertani verbringt und jeweils mehrere Wochen in den Labors des Molekulargenetikers Gunther Stent, Joshua Lederberg (Nobelpreis 1958) und Salvador Luria (1969).
 
Von 1960 bis 1970 arbeitet er in Genf, wo er die Arbeiten durchführt, die ihm den Nobelpreis einbringen werden. Er entdeckt die Restriktionsendonucleasen bei der Aufklärung eines Phänomens, das bei Bakterien und deren Bakteriophagen auftritt. Dieses Phänomen, genannt »Phänomen der wirtskontrollierten Modifikation«, wurde von Salvador Luria, Jean Weigle und Giuseppe Bertani im Jahr 1952 entdeckt. Sie zeigten, dass, im Gegensatz zu einer gut bekannten Regel in der Virologie, Bakterien Bakteriophagen, die sich in ihnen vermehren, auf eine spezifische Weise verändern können. Diese Abwandlung (Modifikation) schränkt die Wachstumsmöglichkeit dieser Bakteriophagen in anderen Wirtsbakterien stark ein, und sie ist nicht vererbbar. Im Jahr 1960 zeigen Arber und seine Doktorandin Daisy Dussoix, dass es trotzdem die DNS der Bakteriophagen ist, die von den Bakterien verändert wird. Zusammen mit Grete Kellenberger-Gujer können sie nachweisen, dass die Restriktion — also die Unfähigkeit von Bakteriophagen, sich in bestimmten Wirtsbakterien zu vermehren — hervorgerufen wird durch den Abbau der Bakteriophagen-DNS durch die Bakterien. Diese zwei Ergebnisse bedeuten weltweit einen wichtigen Fortschritt bei der Erforschung des Phänomens der Restriktion/Modifikation.
 
Arber und seine Mitarbeiter zeigen außerdem, dass das Phänomen sehr allgemein ist und bei vielen Vorgängen des genetischen Austauschs bei Bakterien auftritt. Er beschreibt auch die chemische Natur der Modifikation: Einer der vier Bausteine der DNS wird an einer bestimmten Stelle abgeändert (methyliert). 1965 erklärt Arber, dass Bakterien sowohl Modifikationsenzyme besitzen, die die DNS spezifisch markieren können, als auch Restriktionsenzyme, die DNS in kleine Stücke spaltet, wenn sie nicht spezifisch markiert ist.
 
 Smith und die DNS-Schnittstellen
 
Hamilton Othanel Smith begann seine Forscherkarriere bei Myron Levine, Professor für Humangenetik an der Universität von Michigan. Die Jahre 1966 und 1967 verbringt Levine im Labor von Arber. Er schreibt an Smith und bringt ihm die Arbeit von Arber über das Restriktions- und Modifikationsphänomen nahe. Durch Zufall entdeckt Smith zusammen mit seinem Doktoranden Kent Wilcox, dass das Bakterium Hemophilis influenzae die DNS des Phagen P22 abbaut. Er erkennt, dass in Hemophilis influenzae der Abbau wahrscheinlich durch ein Restriktionsenzym erfolgt. Es gelingt ihm, ein Enzym, das Phagen-DNS abbaut, die DNS von Hemophilis influenzae aber nicht angreift, etwa 200fach anzureinigen: Es handelt sich also folglich um ein wirkliches Enzym.
 
Noch viel interessanter ist jedoch, dass das von Smith und einem anderen Mitarbeiter, Thomas Kelly jr., isolierte Enzym die Phagen-DNS in eine bestimmte Anzahl von Stücken zerschneidet. Sie vermuten, dass es eine bestimmte Anzahl von Stellen in der DNS erkennt, welche es dann schneiden kann. Sie bestimmen die Reihenfolge der Basen, die sich an den Enden der Teile befinden und zeigen, dass das Enzym die DNS nur in der Mitte einer bestimmten Abfolge von Basen schneiden kann. Das Restriktionsenzym kann also die Reihenfolge der Basen in der DNS »lesen«. Diese außerordentliche Fähigkeit erlaubt seine Anwendung für die Gentechnik.
 
Der Einsatz von Restriktionsenzymen zur Bestimmung der Reihenfolge von Basen in der DNS wurde schon 1965 von Arber vorhergesehen. Aber es ist erst die Arbeit von Daniel Nathans, die es ermöglicht, diese Technik zu entwickeln und erstmals bei der Aufklärung der Basenreihenfolge eines Virus einzusetzen.
 
 Die Restriktionskarte von Daniel Nathans
 
Nathans arbeitet seit Mitte der 1960er-Jahre an den Hintergründen der Bildung von Tumoren, die durch Viren wie SV40 verursacht werden. Smith informiert ihn 1969 von seiner Entdeckung des Restriktionsenzyms von Hemophilis influenzae. Nathans versucht das Gleiche mit DNS und den Restriktionsenzymen, was Frederick Sanger (Nobelpreis für Chemie 1958 und 1980) mit den Proteinen und den proteolytischen Enzymen gemacht hat: die Reihenfolge der Bausteine eines Makromoleküls mithilfe von Enzymen zu bestimmen. Aber das erste von Sanger sequenzierte Protein enthielt nur 14 Aminosäuren, während die DNS von SV40 mehr als 5000 Basenpaare enthielt.
 
Als Nathans und seine Mitarbeiterin Kathleen Danna das von Smith gereinigte Enzym zu der DNS von SV40 geben, erhalten sie elf DNS-Stücke, deren Länge sie bestimmen. Indem sie mehrere verschiedene Restriktionsenzyme und deren Kombinationen verwenden, können Nathans und seine Mitarbeiter eine Restriktionskarte der SV40-DNS erstellen, die zeigt, wo die Erkennungsstellen für die verschiedenen Restriktionsenzyme sind. Durch diese Karte wird 1978 die gesamte Reihenfolge der Basen in der SV40-DNS genau bestimmt.
 
B.J. Strasser

Universal-Lexikon. 2012.

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